Der Rote Punkt (2008)                                                         PRESSESTIMMEN

 

Effectively elusive, "The Red Spot" is an ultimately inscrutable drama about reconciling the past by disturbing the present. Helmer Marie Miyayama's debut feature prefers silent glances to dialogue and seems fascinated by the minutiae of family, resulting in a German film with a distinctly Japanese feel. Minimalism impedes the story, however, with low-key thesping that holds the viewer at arm's length. Almost too sophisticated for mainstream arthouse auds, the pic will find fest defenders and tube takers.

Twenty-one-year old Japanese college student Aki Onodera (Yuki Inomata) is becoming increasingly distracted by questions surrounding the deaths of her parents and baby brother in an auto accident in Germany some 18 years earlier. Finding a box of keepsakes that includes a map of Bavaria, she embarks on a voyage of discovery and reconciliation. Once in picturesque East Allgaeu, she becomes ensnared in the generational friction between delinquent 18-year-old Elias Weber (Orlando Klaus) and his timid father, Johannes (Hans Kremer). Unbeknownst to all, the Onoderas and the Webers have met before. Tech package is fine, led by Miyayama's own delicate editing and Oliver Sachs' widescreen compositions.  

(E. Cockrell, Variety)


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A young Japanese woman goes to Germany alone to excorcise her nightmares regarding a fatal car accident involving her parents 18 years ago. Debut feature shows tremendous potential. Excellent performances, script, & editing. Solo piano score evocatively beautiful.  

(S. Richard, Arts and Opinion)


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Landschaftsmalerei mit Menschenbeilage: Bei den Filmtagen in Hof wurde in diesem Jahr der Zustand des heimischen Erzählkinos bejammert. Zu Unrecht, denn die beiden herausragenden Filme "Der rote Punkt" und "Der Architekt" bewiesen, dass die Verweigerung von Dramatik große Kunst sein kann.

...Noch formstrenger geht die Regisseurin Miyayama ans Werk. "Der rote Punkt" ist die Geschichte einer jungen Japanerin, die als kleines Mädchen bei einem scheußlichen Verkehrsunfall in Deutschland beide Eltern und den kleinen Bruder verloren hat. Nun, mit Mitte 20, reist sie zum ersten mal wieder nach Deutschland, um den Ort des Unglücks unweit von Schloss Neuschwanstein aufzusuchen. Und findet durch eine geradezu Kleistsche Fügung des Schicksals ausgerechnet in der Familie jenes Mannes Unterkunft, der einst den Tod ihrer eigenen Familie mitverschuldete und dann Unfallflucht beging. Miyayama hat ihr Regie-Handwerk in Tokio und an der Münchner Filmhochschule gelernt. Sie zeigt ihre Heldin erst in Szenen des großstädtischen japanischen Alltags, bis das Mädchen sich (gegen den Willen der Pflegeeltern und des Freundes) nach Europa aufmacht. Wenn die junge Frau dann mit geschultertem Rucksack durch die Weide- und Waldlandschaft des Allgäus stapft, staunt nicht nur sie mit den Augen einer Traumwandlerin. Auch als deutscher Zuschauer schaut man mit merkwürdig verschobenem Blick auf Kühe und Marienfiguren am Rand kurviger Landstraßen. Wie "Der Architekt" schildert auch "Der rote Punkt" einen Vater-Sohn-Konflikt. Die Schauspieler Hans Kremer und Orlando Klaus tragen ihn hier seltsam unterkühlt aus, wie in Schockstarre ineinander verbissen und verkeilt. Auch gibt es einen Flirt zwischen dem Jungen, der fast manisch dauernd auf dem Motorrad herumdüst, und dem japanischen Mädchen. Trotzdem fehlt dem Film jede dramatische Pointe. In fast meditativer Ruhe erzählt er vom Gleichmut einer Welt, in der die Menschen sich abstrampeln und sich angiften, im Sonnenuntergang Händchen halten und morgens auf Wiesen Picknick abhalten. Und dabei im besten Fall für eine Weile ihren Frieden machen mit dem, was ihnen im Guten wie im Bösen widerfahren ist. So zelebrierten in diesem Jahr in Hof "Der Architekt" und "Der rote Punkt" auf unterschiedliche Weise, doch in jeweils höchst überzeugender Manier zwei ziemlich paradoxe Filmkunststücke: eiskalte Schwelgereien, Räusche der Nüchternheit.       

(W. Höbel, Spiegel-Online)


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...Dass aber auch ernsthafte Themen bewegend in Szene gesetzt werden können, das zeigte in diesem Jahr in Hof die junge Absolventin der HFF München Marie Miyayama mit ihrem Erstling DER ROTE PUNKT, der auch den Förderpreis Deutscher Film völlig zu Recht gewann. Sie erzählt die Geschichte der jungen Japanerin Aki, die im Nachlass ihrer Eltern eine Landkarte aus Deutschland mit einem roten Punkt findet. Gegen die Bedenken ihrer Familie macht sie sich allein auf den Weg nach Deutschland, um diesen Ort zu finden. Ein Ort, wo vor 18 Jahren ihre ganze Familie bei einem Autounfall ausgelöscht wurde. Aki findet ausgerechnet bei der Familie Unterschlupf und Hilfe, die damals den Unfall mit verursacht hat. Wenn sie am Ende am Ziel angekommen ist und ein japanisches Todesritual vollführt, erlöst sie die Seelen ihrer Eltern und erlebt noch einmal das Gefühl von trauter Familienglückseligkeit, an das sie sich kaum noch erinnern konnte. Ein traumhaft bewegender Film, dem unbedingt ein deutscher Verleih zu wünschen ist.  

(A. Wotschke & K. Somnitz, Programmkino.de)


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Was von Akis Kindheit übrig ist, passt in ein Paket der Deutschen Post: ein Stofftier, ein Fotoapparat, ein Brief – und eine Landkarte von Bayern, auf der ein roter Punkt eingezeichnet ist. Wo genau dieser Punkt liegt und was er markiert, weiß die junge Japanerin zunächst nicht. Dennoch macht sich Aki auf den Weg nach Deutschland – in der Hoffnung, dort eine Vergangenheit zu finden, die sie bislang nur aus ihren Träumen kennt. „Der rote Punkt“ von Marie Miyayama, der heute im Passauer Metropolis-Kino das Internationale Filmfest Passau eröffnet, erzählt die Geschichte dieser außergewöhnlichen Reise in großartigen Bildern und beweist dabei seltenen Mut zur Stille.

Freilich gibt es Dialoge in diesem Film. Doch sie drücken im Grunde eine tiefe Wortlosigkeit aus: Akis (Yuki Inomata) ehrgeiziger Freund hat kein Verständnis für ihr Vorhaben und redet so lange auf sie ein, bis sie verstummt. Auch die Webers, bei denen Aki im Ostallgäu Unterkunft findet, verstehen sich nicht mehr: Vater Johannes (Hans Kremer) findet keinen Draht zu seinem Sohn Elias (Orlando Klaus), einem polizeibekannten Raser. Elias selbst nutzt jede Gelegenheit, um Johannes zu verletzen. Mutter Erika (Imke Büchel) versucht sich vergeblich als Mittlerin, Tochter Martina (Zora Thiessen) klinkt sich aus.

Aki sitzt wie ein wunderhübscher Fremdkörper zwischen ihnen am Tisch, oft verschreckt durch den scharfen Ton dieser Sprache, die sie kaum versteht. Trotzdem hält sie an ihrer Suche fest - und je mehr sie sich dem roten Punkt nähert, desto mehr wird sie selbst zum Orientierungspunkt für ihre Gastgeber. Das Bedürfnis, Aki zu helfen, zwingt die Webers, ihre eigenen Kämpfe einzustellen: Elias steigt zum ersten Mal von seinem Motorrad ab, um sich um jemand anderen zu kümmern als sich selbst. Johannes sieht sich durch Akis Auftauchen mit einem Teil seiner Vergangenheit konfrontiert, den er am liebsten für immer verschwiegen hätte - der ihn aber zugleich seiner Frau und seinem Sohn wieder näher bringt.

Annäherung braucht Zeit, und die Kamera lässt sie den Darstellern auch. Kremer und Klaus füllen den Raum der langen Einstellungen mit einer überzeugend schmerzhaften Darstellung der Vater-Sohn-Krise. Der überaus starken Yuki Inomata genügt gar eine leichte Verengung der Augen, der Anflug eines Lächelns, eine minimal veränderte Körperhaltung, um über Szenen hinweg nahezu stumm zu erzählen.

Aki findet schließlich, was sie sucht: Eine Erinnerung an ihre Familie, die sie als Kleinkind durch einen Unfall verlor. Erleichtert macht sie sich auf die Heimreise, im Rücken die verstörten Blicke derer, für die die Suche nach einander nun erst begonnen hat. Ein bedrückender Film ist „Der Rote Punkt“ dennoch nicht - eher eine kluge, leise Erinnerung daran, dass alles auch wieder anders werden kann.

(K. Burkert, Passauer Neue Presse)


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